Nachsicht ist für mich eines der wichtigsten Eigenschaften die man haben sollte.

Nachsicht üben macht weich und erinnert an das eigene Versagen, den erlebten Schmerz, dem eigenen Erlebnishunger, der eigenen Gier und der vielen kleinen Unarten.

Doch bevor man Nachsicht gegenüber anderen übt,  sollte man Nachsicht mit sich selber haben.
Nicht alles klappt beim 1. Mal. Die Behebung von Fehlern, Fehlverhalten etc. bedarf (wie wir aus eigener Erfahrung wissen) mehrerer, wenn nicht noch mehr Anläufe.

Ich erinnere mich, dass ich als junger Hüpfer bei meinen Partnern wenn sie ein Fehlverhalten an den Tag gelegt haben, immer eine wenn’s geht sofortige 180° Drehung gefordert und erwartet habe, und ich war stocke sauer, wenn sie es nicht in kürzester Zeit hinbekommen haben.

Bis mir dann irgendwann aufgefallen ist, wie schwer es mir selber fällt eine Unarten abzulegen.
Ab diesem Zeitpunkt war der Groschen gefallen und ich begriff: Was ich selbst nicht in Windeseile bewerkstelligen kann, kann ich auch nicht von anderen erwarten, geschweige denn einfordern.

Es war nur eine kleine Veränderung meiner Denkstruktur als ich anfing  Situationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, – aber sie war sehr effektiv.

Denn wenn wir uns eine Situation vom Standpunkt der anderen Person aus ansehen, werden wir oftmals feststellen, dass sie sie anders wahrnimmt, als wir dachten und wie wir sie wahrnehmen.

Und nur dann können wir außerhalb des eigenen Erlebens verstehen und begreifen – also Nachsicht üben!

Es ist ja nun mal so, unsere Fehler und Schwächen sind offensichtlich, und die Leute sehen sie, so wie wir die ihren sehen.

Warum sollten wir also darüber wütend werden?

Wenn wir uns nicht darüber aufregen, weil jemand sagt, dass wir eine Nase im Gesicht haben (weil diese auch offensichtlich ist), warum sollten wir uns aufregen wenn uns jemand sagt, das wir einen Fehler gemacht haben?

Optimal wäre es, wenn unsere stärksten Kritiker auch zu unseren besten Freunden zählen würden, da sie uns auf liebevolle Weise zeigen, wo es bei uns im Argen liegt, und wo dringender Handlungsbedarf besteht.

Menschen die uns nach dem Mund reden und alles gut finden was wir tun, stellen keine Herausforderung für uns dar.
An diesen Menschen können wir nicht wachsen, sondern nur an denen, die uns kritisch beurteilen, ohne unseren Wert zu schmälern.

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