Teddy

Das kleine Mädchen weinte herzzerreißend und rief unter ständigem Schluchzen aufs Meer hinaus: „Brunooo,  – Brunooo!“
Jan beobachtete das kleine Mädchen mitleidsvoll, bis er sich entschloss hinzugehen und es anzusprechen.
Er stieg von seinem kleinen Segelboot und näherte sich ihr vorsichtig.
Bei ihr angekommen ging er in die Hocke und fragte leise: „Magst du mir erzählen wer Bruno ist?“
Erschrocken schaute die Kleine auf, und musterte Jan. „Bruno ist mein beeester Freund!“ und wieder schluchzte sie herzerweichend.
„Was ist ihm denn passiert? Du weinst doch nicht umsonst so doll?“
„Er ist einfach über Bord gefallen!“
„Man fällt doch nicht so einfach über Bord!“ sagte Jan erschrocken.
„Doch!“
„Ich hab ihn hochgehoben um ihm die Wellen zu zeigen, und plötzlich lag in der Nordsee! Weiß selbst nicht wie das passiert ist!“ Und wieder rief sie laut: „Brunooo! Brunooo!“
„Und warum sitzt du hier ganz alleine? Wo sind denn deine Eltern?“
„Die kommen gleich! Ich war bei meiner Oma auf Hallig Hooge. Aber morgen muss ich wieder in die Schule. Eigentlich müssten meine Eltern schon längst da sein!“ und schaute  suchend über den Parkplatz, der sich bis auf wenige Autos schon ziemlich geleert hatte.
„Wie heißt du denn?“ fragte Jan, um sie von ihrem Schmerz abzulenken.
„Nele! Und du?“
„Jan“ und streckte ihr freundschaftlich die Hand entgegen.
„Wie sieht denn Bruno aus? Ich hab ein kleines Segelboot. Vielleicht finde ich ihn ja wenn ich nach Hallig Hooge schipper“ und schaute Nele vielsagend an.
„Du würdest nach Bruno suchen?“ Nele sprang vor Freude auf.
„Bruno ist mein Teddy!“ erklärte sie  „Und ich habe ihn so lange wie ich denken kann!“ und wieder rief sie lauthals nach ihm.
„Ich kann einfach nicht ohne ihn leben!“ flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme.
Plötzlich hörte man ein Rufen: „Nele! Nele, hier sind wir!“
Nele drehte sich um und sah ihre Eltern auf sie zukommen.
Freudig rannte sie ihnen entgegen.
Jan sah aus der Ferne, wie sie ihren Eltern von dem Verlust von Bruno erzählte.
Nele zog ihre Eltern zu Jan und sagte: „Das ist Jan, und er will nach Bruno suchen. Er hat nämlich ein Segelboot!“ sagte sie stolz.
Die Erwachsenen begrüßten sich höflich, und die Mutter bedankte sich bei ihm, dass er bei Nele geblieben ist, bis sie da waren.
Neles Vater sagte spontan: „Nele, er braucht doch nicht nach Bruno zu suchen. Wir kaufen dir einen neuen Bruno.“
„Ich will keinen neuen Bruno. Ich will MEINEN Bruno!!!!“ und brach wieder in Tränen aus.
Jan nahm sie tröstend in den Arm, „Keine Sorge Nele, ich such nach deinem Bruno! Ich werde ihn schon finden! Es sei denn, er genießt seine Freiheit so sehr, und schwimmt nach Dänemark.“
„Niiiiemals!!“ rief Nele erschrocken. „Er will nur zu mir!“
„Ja, ist ja gut mein Mädchen! Ich tucker gleich los! Wenn ihr wollt, können wir alle Mann gleich los.“ und schaute fragend zu den Eltern. „Je schneller wir losschippern, um so wahrscheinlicher ist es, ihn aus dem Wasser zu fischen. Acht Augen sehen mehr als zwei!“ fügte er mit Nachdruck hinzu.
Die Eltern schauten sich an, und Nele rief nur immer: „Bitte! Bitte lasst uns fahren!“
Ein erneuter Blickkontakt der Eltern signalisierte die Zustimmung.
Sie bestiegen allesamt das Boot und da es auch mit Motor betrieben werden konnte, dauerte es nicht lange, und sie fuhren auf die Fahrrinne zu.
Plötzlich rief der Vater: „Nele, Nele schau dort vorne! Könnte er doch sein oder?“
Nele rannte zu ihm und schaute suchend über das Wasser.
„Dort wo die Möwe fliegt! Siehst du es? Da schwimmt doch etwas im Wasser.“
Nele folgte der Blickrichtung ihres Vaters und Jan lenkte das Boot ebenfalls in die Richtung.
„Das ist er! Das ist er! rief Nele aufgeregt. „Bruno halte durch wir kommen!“ und schaute hilfesuchend zu Jan.
„Gaaanz ruhig Kleine! Schau mal dort hinten liegt eine lange Stange. Bring mir die mal.“
Nele sauste los und kam mit der Stange im Schlepptau zurück.
Tatsächlich entpuppte sich das Objekt im Wasser als Bruno!
Nach drei Versuchen mit der Stange, konnten sie ihn ans Boot ziehen, und der Vater fischte ihn heraus.
Nele riss ihn ihm aus der Hand und drückte den klatschnassen Teddy fest an ihr Herz, und übersäte ihn mit glücklichen Küssen.
„Danke Jan! Danke! Danke! Du hast Bruno das Leben gerettet!“ und schmiegte sich samt dem nassen Teddy an ihn.
„Schon gut Nele“ sagt Jan verlegen „das hättest du für mich doch auch getan!“
„Ja Jan, das hätte ich!“
Glücklich tuckerten sie in der Abendsonne zum Hafen zurück.

Am nächsten Morgen konnte man einen schon fast trockenen Bruno munter an der Wäscheleine baumeln sehn.

 

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