Christkind

Sie überlegte schon seit Tagen, wie sie ihre Kinder vor Heilig Abend beschäftigen könnte.
Denn nochmal so einen Stress wie letztes Jahr wollte sie sich nicht mehr antun.
Es war schlichtweg die Hölle!
Ich muss sie bis zur Bescherung irgendwie beschäftigen, dachte sie verzweifelt.
Dann, wie angeflogen, kam ihr die zündende Idee: Ein Suchspiel!
Sie sollten etwas suchen, und wenn es geht draußen, damit sie im Haus aus den Füßen waren.
Aber was kann man im Winter suchen?
Die Haselnüsse vom Aschenputtel?
Nein! Es muss etwas Neues sein.
Während sie einen großen Schluck Kaffee nahm, blitzte es auf: 6 goldene Äpfel!
Sie hatte noch 6 rote Äpfel in der Weihnachtskiste, und die könnte sie ohne weiteres mit Goldlack besprühen.
Gedacht  –  getan!
Im Hobbykeller lagen nun 6 goldene Äpfel!
Nun musste nur noch eine glaubhafte Geschichte her.
Sie feilte den ganzen Tag gedanklich an ihrer Geschichte.
Am Abend, als die Kinder schon bettfertig herumwuselten, rief sie sie zu sich aufs Sofa und sagte: „Kinder, ihr müsst mir dieses Jahr helfen!“
Große Kinderaugen schauten sie fragend an.
„Ja, ihr wisst ja, morgen kommt das Christkind! Aber da gibt es nur einen Haken“ und sie machte eine Pause.
Die großen Kinderaugen wechselten von fragend, auf erschrocken.
Der Kleinste rief panisch: „Das Christkind kommt nicht!“ und war schon den Tränen nah.
„Nein, nein“ antwortete die Mutter beruhigend. „Es ist nur so, das Christkind kommt ja mit seinem goldenen Schlitten, der von seinen 6 goldenen Pferdchen gezogen wird. Jetzt könnt ihr euch ja vorstellen, die Pferdchen sind nach so einer langen Reise mächtig hungrig. Also muss der Knecht Ruprecht schon im Vorfeld überall dort, wo das Christkind Halt macht, goldene Äpfel hinterlegen.
Da er aber eine faule Socke ist, lässt er sie im Vorbeifliegen einfach vor den Häusern fallen.
Die ganzen Jahre zuvor habe ich die goldenen Äpfel müselig im Garten gesucht, und fein säuberlich auf die Gartenbank gelegt. Aber dieses Jahr schaffe ich es nicht! Ich hab einfach noch sooo viel zu tun!
Nun meine Bitte an euch: Würdet ihr morgen Abend die 6 goldenen Äpfel für mich suchen, und sie auf die Gartenbank legen? Wir wollen doch, dass das Christkind auch wirklich kommt oder?“ und sah ihre Kinder fragend an.
Und schon tobte der Bär!
Sie sprangen vom Sofa und wollten sofort in den Garten stürmen, um die Äpfel zu suchen.
„Halt! Halt! Halt!“ rief die Mutter „die Äpfel sind doch noch gar nicht da! Der Knecht Ruprecht kann sie doch erst kurz vorher abwerfen. Die Äpfel müssen relativ frisch sein, sonst essen die Pferdchen sie nicht.
Geht jetzt ins Bett, und morgen Nachmittag sag ich euch Bescheid wann ihr sie suchen gehen könnt.“ Damit entließ sie ihre Kinder ins Bett.
Sie hörte noch eine ganze Weile die Diskussion im Kinderzimmer wo die Äpfel wohl runterfallen würden.
Am nächsten Morgen beim Frühstück waren die 6 goldenen Äpfel Gesprächsthema Nr. 1.
Den ganzen Tag rannten sie ans Fenster und in den Garten, um auf keinen Fall den Knecht Ruprecht zu verpassen.
Nur zwischen 13 und 15 Uhr konnten sie nicht aufpassen, da sie wie jedes Jahr zur Oma gingen, um Kakao und selbstgebackene Plätzchen zu essen.
In dieser Zeit versteckte der Papa die 6 goldenen Äpfel im Garten, und als die Kinder heim kamen, fragten sie gleich, ob er schon den Knecht Ruprecht gesehen habe.
„Also vor einer viertel Stunde ist irgendwas an unserem Haus vorbei geflogen, und es hat sich so angehört, als er hätte derjenige was verloren. Aber ich hatte keine Zeit nachzuschauen.“ sagte er leicht geknickt.
„Papa, du musst nicht traurig sein! Das waren die Äpfel für die Pferdchen vom Christkind, und die sollen doch wir suchen, hat Mama gesagt!“ und weg waren sie.
Man hörte sie im Garten herumlaufen und immer wieder rief jemand: „Juhuuu ich hab Einen!“
Nach einer dreiviertel Stunde kamen sie aufgeregt ins Haus und verkündeten stolz: „Wir haben alle Äpfel gefunden! Sie liegen schon auf der Gartenbank!“
„Habt ihr sie auch zu einer Pyramide gestapelt?“ fragte der Papa.
„Häh?! Wieso zu einer Pyramide stapeln?“
„Weil sie sonst die Pferdchen nicht essen. Nur wenn sie aufgestapelt sind essen sie sie auch!“ antwortete der Papa tot ernst, und die Mutter musste in die Küche eilen, um nicht vor Lachen die ganze Aktion zu gefährden.
Also stoben sie wieder nach draußen, und mühten sich redlich an ihrer Apfelpyramide.
Endlich war das Werk vollbracht, und sie kamen völlig geschafft in die Küche.
„Mama, nächstes Jahr machst du das aber wie ja?! Das Suchen war ganz schön spaßig, aber diese Pyramide  –  ne, die hat keinen Spaß gemacht!“ und eilten zum Fenster um zu schauen, ob sie noch so war wie sie sie gebaut hatten.
Die Mutter stellte ihnen einen heißen Kakao hin und lobte sie sehr für ihren Einsatz, und ließ sich erzählen wo sie überall die goldenen Äpfel gefunden hatten.
Auf einmal hörte man im Wohnzimmer ein helles Glöckchen klingen, und Sekunden später standen sie mit strahlenden Augen vor dem erleuchteten Tannenbaum.
Als sie anfingen zu singen, bedankte sich die Mutter mit einem leichten Lächeln nach oben für so einen entspannten Heilig Abend.

 

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