Ja, so hat man das früher gemacht.
Anstatt den Mann zur Verantwortung zu ziehen, hat man lieber ein Mädchen ins Heim gesteckt.
Einfach das Kind wegsperren, und die Welt ist wieder in Ordnung.
Problem gelöst, und nach mir die Sintflut!
Und das Kind hat man einfach in seinem inneren Gefängnis voller unberechtigter Schuldgefühle, Ängste und Nicht-verstehen-können alleine gelassen.

Man hätte mir als Kind nur sagen brauchen: Das was dein Großvater gemacht hat, war falsch und hätte nicht passieren dürfen.
Und du kommst nicht ins Heim weil du ein schlechtes Mädchen bist, sondern damit dein Großvater dir nichts mehr tun kann!
Hätte ich das als Kind verstanden?
Hätte es mir geholfen mein Ich-bin-schuld-daran-Gefühl abzulegen?
Denn ich wusste ganz tief in mir drin, dass das was mein Großvater tat, Unrecht war, aber ich dachte lange lange Zeit, dass es meine Schuld gewesen sei.
Aber mich in ein geschlossenes Heim abzuschieben, und mich jeglicher Freiheit zu berauben, war eine Doppelbestrafung, die ich erst recht nicht verstand und meine inneren Zerrissenheit nur noch verschlimmerte.
Das Geschehene deckten die Heimjahre vorübergehend zu.
Doch die Spätfolgen waren fatal.
Denn der Ekel und die Angst vor der Berührung verfielen auch in einen Dornröschenschlaf.
Sie erwachten wieder zum Leben, als ich mit 16 Jahren in das Lehrlingswohnheim nach Frankfurt kam.
Dort wurde ich von meinem neuen Vormund erst mal aufgeklärt.
Und während dem Gespräch explodierte meine Erinnerung urplötzlich wie eine Bombe und ich fiel ohnmächtig vom Stuhl.
Ab da war nichts mehr wie es sein sollte.
Alles war wieder da!
Die Angst, der Ekel vor Berührung und das Schnell-wieder-verdrängen wollen.
Doch jeder Mann „forderte“ die Intimität und schreckte vor meiner Aggression und Ablehnung zurück.
Irgendjemand sagte mir, ich müsse mit meinem Partner darüber reden.
Aber ich hatte mich schon zu sehr verschlossen, dass ich gar nicht wusste, wie ich es einem Mann hätte erklären sollen.
So ertrug ich 2x einen erzwungenen Geschlechtsverkehr, was meine Abwehr natürlich noch verschlimmerte.
Dabei war ich so voller Liebe und natürlich auch voller Sehnsucht nach der sexuellen Erfüllung.
Und der Hass auf meinen Großvater stieg ins Unermessliche.
Er war und ist ein Stachel in meiner Seele, den bis heute niemand herausziehen konnte.

Fortsetzung folgt

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