Ilbenstadt

Ich war 12 Jahre alt, als die Vormundschaftsstelle beschloss mich aus dem Großelternhaus herauszunehmen, und anderweitig unterzubringen.
Eigentlich waren es 5 Jahre zu spät!
Aber bis gewisse Vorkommnisse ans Tageslicht gelangen und tatsächlich wahrgenommen werden, dauert es halt seine Zeit.
Meine Mutter erkrankte kurz nach meiner Geburt an Krebs, und verstarb als ich 6 Jahre alt war.
Eine Erinnerung an sie habe ich leider nicht.
Danach nahmen mich meine Großeltern „notgedrungen“ in ihre Obhut.
Bis heute habe nur ganz minimale Erinnerungsfetzen an meine Kindheit. Und die, die ich habe sind überwiegend beklemmend und traumatisch.
Mein Großvater ein aggressiver, böser und cholerischer Mann, meine Großmutter eine gestrenge und tief religiöse Frau, die man mit zwei erlebten Kriegen, 6 Kindern, ihren im Krieg gefallenen vier Söhnen, und dem Pulverfass Ehe, durchweg als eine seelisch nieder getrampelte Frau bezeichnen kann.
Nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine einigermaßen glückliche Kindheit!
Im Nachhinein stört mich nicht die Armut in der wir lebten, immerhin befand man sich immer noch in der Nachkriegszeit, und der Wiederaufbau hatte gerade begonnen, sondern die mangelnde Liebe.
Es gab keinerlei Zärtlichkeit, kein in den Arm nehmen, keine Belobigung, nur die gestrengen Regeln meiner Großmutter.
Wobei ich sagen muss, anstelle der Liebe vermittelte mir meine Großmutter ein hohes Maß an Fairness.
Das schien ihr Katalysator für Liebe gewesen zu sein.
Auch all ihre Lebensweisheiten und -sprüche gab sie mir mit auf den Weg.
Und ich muss gestehen, sie haben mich im späteren Leben sehr oft getragen und geleitet.
Trotzdem fühlte ich mich ungeliebt, nicht gewollt und als lästiger Ballast.
Halt das uneheliche Kind der Maria, die sich ja eh nur mit den Amis abgegeben hatte.
Man erzählte mir leider auch nie von meiner Mutter.
Ob sie liebevoll war, lustig, oder wie sehr sie sich auf mich gefreut hat.
Sie war tot, und das schien auch gut so zu sein, und gottgewollt.
Noch heute bedaure ich es, meine Wurzeln nicht wirklich zu kennen.
Meine Aufgabe war nur zu gehorchen und zu funktionieren, und das auf Kommando!
Wenn nicht, setzte es Prügel mit Handfeger, Kochlöffel, oder Spazierstock meines Großvaters.
Und der Abschluss nach jeder Prügel war der Satz: „Wenn du nicht parierst, kommst du ins Heim! Dann wirst du sehen wie gut du es bei uns hattest!“ Und es folgte eine Aufzählung von Vorzügen, die ich im Heim nicht mehr haben würde.
Und so lebte ich in ständiger Angst vor Bestrafung und der Abschiebung in ein Heim,
bis der Tag X vor dem ich mich so fürchtete, dann tatsächlich doch da war.

-Fortsetzung folgt-

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